Aufsicht und Rat: Die Aufsichtsratsarbeit in der modernen Unternehmenswelt
Aufsichtsrätin Dr. Viktoria Kickinger erklärt im Interview den Weg zum Aufsichtsrat sowie die Aufgaben und Herausforderungen in diesem Gremium. Außerdem spricht sie über die Bedeutung von Weiterbildung und (digitalen) Meetings.
Aufsichtsräte erfüllen in der Unternehmenswelt eine wichtige Funktion: Sie kontrollieren und beraten den Vorstand. Die Arbeit gestaltet sich komplex und kann ganz verschiedene Formen annehmen. Dabei üben Aufsichtsräte bei großen Herausforderungen und in konkreten Krisen eine entscheidende Funktion aus. Aber auch die alltägliche Arbeit zeigt sich keineswegs von Standards geprägt.
Dr. Viktoria Kickinger verfügt über langjährige Erfahrungen als Aufsichtsrätin. Außerdem widmet sie sich als Gründerin und Geschäftsführerin der Directors Academy Hamburg der Weiterbildung von Aufsichtsräten im deutschsprachigen Raum. Wo für dieses Gremium unlängst ein umfassendes digitales Know-how gefragt ist, stellt die Akademie Online-Lernangebote zur Verfügung – für die erfolgreiche Arbeit von Aufsichtsräten.
Im Interview mit Dr. Kickinger widmen wir uns den Fragen, wie der Weg zum Aufsichtsrat aussieht und mit welchen Instrumenten dieses Gremium seine Aufgaben verrichten kann. Dr. Kickinger beleuchtet dessen Arbeitsweise in der digitalisierten Unternehmenswelt, befasst sich mit der Bedeutung spezifischer Kenntnisse und erläutert, wie eine erfolgreiche Aufsichtsratssitzung abläuft.
Können Sie zum Einstieg den Weg zum Aufsichtsrat im deutschsprachigen Raum skizzieren? Wie wird man Aufsichtsrat und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?
Dr. Viktoria Kickinger: Das ist wahrscheinlich nicht viel anders als in anderen Ländern. Die Grundvoraussetzung ist zum einen, dass man ein großes Maß an praktischer Erfahrung hat – zum Beispiel in Personal- oder Budget-Fragen. So kann man eines Tages das überwachen, was man selbst auch mal gemacht hat.
Wichtig ist auch, dass man einige persönliche Voraussetzungen mitbringt und sich selbst bewusst ist, auf was für eine Tätigkeit man sich einlässt. Es handelt sich um eine Tätigkeit, die sehr fordernd ist, mit sehr viel Verantwortung zu tun hat und nicht immer a priori planbar ist. Man muss das für sich festlegen, bevor man es werden kann.
Wie wird man Aufsichtsrat? Im Allgemeinen gibt es fast ausschließlich den Weg der Empfehlung: Der Aufsichtsratsvorsitzende eines Unternehmens kennt jemanden oder einen selbst bzw. hat über diese Person gelesen und lädt sie dann zu einem Gespräch ein. In diesem Gespräch klopft der Aufsichtsratsvorsitzende das Spektrum des Kandidaten oder Kandidatin ab, was diese Person an Erfahrungen mitbringt und was sie einbringen kann.
Teamfähigkeit ist auch wichtig. Ein Aufsichtsrat ist keine große liebe Familie, er sollte aus vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten bestehen. Ganz besonders wichtig: Ein guter Aufsichtsratsvorsitzender sucht nicht lauter harmonische Ja-Sager, sondern gestandene Persönlichkeiten, die auch in der Lage sind, eine gegenteilige Meinung einzunehmen.
Wenn das alles passt – hier in einem vereinfachten Beispiel –, wird der Aufsichtsratsvorsitzende Sie bei der nächsten Hauptversammlung als Kandidat vorschlagen. Danach muss die Hauptversammlung diesen Kandidaten wählen. Aufsichtsräte werden nur von der Hauptversammlung gewählt und jeder vernünftige Aufsichtsrat steht dort auf und stellt sich vor. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung, dort anwesend zu sein, sich für die Wahl zu bedanken sowie sich selbst und die eigenen Erfahrungen vorzustellen.
Es gibt wohl Personalberater und Experten, die immer wieder sagen, dass sie auf die Vermittlung von Aufsichtsräten spezialisiert sind. Es gibt auch digitale Datenbanken. Das sind alles Instrumente, die sich noch nicht durchgesetzt haben. Die persönliche Empfehlung ist und bleibt mit Sicherheit das Ausschlaggebende.
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Gehen wir nun zur konkreten Tätigkeit eines Aufsichtsrats über. Welche genauen Aufgaben hat der Aufsichtsrat und was braucht es, um diese effektiv zu meistern?
Dr. Viktoria Kickinger: Die konkreten Tätigkeiten des Aufsichtsrats liegen ausschließlich – wie schon der Name sagt – in Aufsicht ausüben und Rat geben. Das Rat geben, die (strategische) Begleitung wird immer mehr zur Hauptaufgabe des Aufsichtsrats. Das gilt insbesondere für derart komplizierte Zeiten, in denen wir uns jetzt befinden. Sei es Corona, sei es Russland, es wird das nächste kommen: Das Beraten und an der Seite zu stehen, sind wohl die wichtigsten Aufgaben.
Außerdem führt ein Aufsichtsrat die im Gesetz regulierten Aufgaben durch und kontrolliert den Jahresabschluss. Wie macht er das? Er macht es zum einen, indem das ganze Aufsichtsgremium für spezielle Themen – als ein Arbeitsinstrument – Ausschüsse einrichtet. Es gibt Pflichtausschüsse wie den Prüfungsausschuss, aber auch Ad-hoc-Ausschüsse. Es gibt in jedem Gremium auch einen Ausschuss, der sich mit der Wahl der Vorstände und der weiteren Aufsichtsratsmitglieder beschäftigt. Das hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Diese Ausschüsse arbeiten die Themen auf und berichten dann an das Plenum.
Immer mehr macht sich die Tendenz breit, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied einem der Vorstände widmet und diesen ganz persönlich und themenspezifisch begleitet. Ein Finanzexperte wird besonders eng mit dem Finanzvorstand zusammenarbeiten, ein Marketing-Experte entsprechend mit dem Marketing-Vorstand. Dieses Mentoring-System zwischen Aufsichtsrat und Vorstand hat sich sehr gut bewährt, weil dadurch auch die gegenseitige Kenntnis sowie das Verständnis für die Themen und Anliegen nochmals steigen.
Der Aufsichtsrat kommt seiner Aufgabe ohne zeitliches Limit nach. Zwar gibt es immer noch die Meinung, es gäbe vier bis fünf Aufsichtsratssitzungen im Jahr – und das war es dann. Das ist Geschichte:
Wann immer das Unternehmen den Aufsichtsrat braucht, ist er da. Nur vier oder fünf Sitzungen im Jahr gibt es kaum mehr, speziell in Krisenzeiten.
Ich selbst habe in manchen Unternehmen auch monatlich Aufsichtsratssitzungen gehabt und zwischendurch erkundigt man sich und versucht, seine Kontakte entsprechend einzubringen. Zeit ist ein ganz erheblicher Faktor.
Welche spezifischen Instrumente haben Aufsichtsräte zur Verfügung, um insbesondere schwierigen Aufgaben nachzukommen und Herausforderungen zu bewältigen?
Dr. Viktoria Kickinger: Die besonderen Instrumente, die einem Aufsichtsrat für seine Verpflichtung zur Verfügung stehen, sind im Großen und Ganzen vom Gesetz geregelt. Zum einen gibt es eine Informationspflicht des Vorstandes, der er nachzukommen hat. Wenn der Aufsichtsrat das Gefühl hat, dass das nicht ausreicht, kann er im Gremium entweder weitere Punkte auf die Agenda setzen lassen oder weitere Informationen wie sogar Gutachten verlangen.
Aber das wichtigste Instrument, das der Aufsichtsrat in der Zusammenarbeit mit dem Vorstand speziell in Krisenzeiten hat, ist die Kommunikation – auf verschiedensten Ebenen. Sehr stark ausgeprägt ist die persönliche Kommunikation, die ich für Meetings zwischen Aufsichtsrat und Vorstand für sehr wichtig halte. Das Telefon hatte eigentlich schon vor Corona ausgedient. Es gibt fast nur noch digitale Meetings und das ist gut so. Diese Kommunikation erzeugt auch gegenseitiges Vertrauen, welches nötig ist, um eine Krise gemeinsam bewältigen zu können.
In der Krise ist ein Aufsichtsrat auch von Gesetzes wegen dazu angehalten, an Bord zu bleiben. Er kann nur an einem Zeitpunkt abtreten, an dem es für das Unternehmen keinen Schaden nach sich zieht.
Nun handelt es sich bei der Weiterbildung um einen immer wichtigeren Faktor im Berufsleben. Wie hält sich ein Aufsichtsratsmitglied über aktuelle Trends und Weiterbildungsangebote auf dem Laufenden?
Dr. Viktoria Kickinger: Die Weiterbildung des Aufsichtsrats ist speziell in der heutigen rasanten Zeit eine unbedingte Notwendigkeit. Wir bieten bei der Directors Akademie Content ausschließlich digital an. Wir haben eine große Online-Akademie mit einem ganz stringenten didaktischen Aufbau entwickelt. Dort können sich Aufsichtsräte aus jeglichen Bereichen nach einem individuell zu gestaltenden Konzept weiterbilden. Sie können sich ihre Bestätigung abholen, aber sich auch täglich neu weiterbilden – wir aktualisieren ständig. Wer die Akademie nutzt, ist immer auf dem aktuellen Stand. Allein der Schritt, ein solches digitales Format zu verwenden, zeigt bereits ein gewisses Niveau an Freude zur Weiterbildung.
Wir empfehlen in der Directors Academy auch andere digitale Formate, also zum Beispiel auch Sherpany, wenn es um digitale Sitzungen geht.
Der digitale Pfad zieht sich durch das Leben des Aufsichtsrats: Weiterbildung ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein kontinuierlicher Prozess.
Am besten, man fängt einfach an und hört nie wieder auf.
Welchen Ansatzpunkten widmet sich die Directors Academy und wie können die Lehrgänge konkret aussehen?
Dr. Viktoria Kickinger: In der Directors Academy bieten wir das Wissen in drei verschiedenen Informationstiefen an. Das heißt: Ein Aufsichtsrat kann beim individuellen Wissen ansetzen und sich von dort aus weiterentwickeln. Wir bieten das Wissen bis hin zu den Gesetzestexten an. Auch die lassen sich bei uns im Original nachlesen.
Übrigens setzt die Directors Academy – wie üblich bei digitalen Produkten – sehr auf Eigenverantwortung. Die Inhalte lassen sich selbst konfigurieren:
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Will ich mich einfach ausbilden?
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Ist es das erste Mal?
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Will ich mich weiterbilden?
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Zu welchem Thema will ich mich weiterbilden?
Diese individuelle Nutzung der Directors Academy entspricht ja ganz der digitalen Lebensanschauung oder dem digitalen Lebenskonzept. Ich kann sie als Nachschlagewerk, Ausbildung, Weiterbildung oder als Information nutzen. So bieten wir auch Podcasts, Blogs und weitere Services mit Content-Bezug an. Das heißt: Ich nehme mir einfach, was ich brauche.
Meetings spielen für Aufsichtsräte eine Schlüsselrolle. Was sind die wichtigsten Punkte für eine Aufsichtsratssitzung und inwiefern unterscheiden sich diese von anderen Sitzungen?
Dr. Viktoria Kickinger: Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass die Aufsichtsratssitzung zu 100 Prozent vertraulich ist. Hier darf nichts nach außen dringen. Die Vorbereitung ist dagegen ähnlich. Je leichter man sich diese macht, desto besser fällt sie aus. Die Zeit, in der Papiere und Aktenordner am Schreibtisch gelegen sind, ist schon bei einem halbwegs modernen Aufsichtsrat längst vorbei. Die meisten bereiten sich digital vor, das ist auch State of the art. In der Corona-Zeit waren wir alle oft nicht mehr an unseren Schreibtischen, sondern nur digital unterwegs. Spätestens da hat jeder erkannt, dass die digitale Vorbereitung auf eine Sitzung die halbe Miete ist. Man kann hier auch – und das halte ich für ganz wichtig – im Vorfeld Fragen einstellen und mit Kollegen diskutieren.
Die Digitalisierung hat die Aufsichtsratsarbeit, wenn man die entsprechenden Angebote annimmt, schon erheblich erleichtert. Das gilt sowohl für die Vorbereitung als auch für die Nachbereitung. Es geht ja auch um das Protokollieren und Stellungnahmen zum Protokoll. Das ist alles wesentlich transparenter und unkomplizierter, wenn wir es digital machen. Ich bin eine große Verfechterin dessen.
Welche Voraussetzungen stellen Sie persönlich an ein Meeting stellen bzw. wie hat ein erfolgreiches Meeting Ihrer Ansicht nach auszusehen?
Dr. Viktoria Kickinger:
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Das Meeting wurde mit ausreichendem Vorlauf einberufen. Kurzfristig einberufene Meetings sind immer mühsam.
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Die Unterlagen für das Meeting sind mit ausreichendem Vorlauf eingegangen. Das macht man idealerweise digital. Denn dann kann jeder zu dem Zeitpunkt, zu dem es gerade passt, und ortsunabhängig mit der Vorbereitung starten.
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Die Unterlagen für ein Meeting sollten nicht zu umfangreich sein, sodass ich eine kompakte Zusammenfassung haben kann, um mir eine Meinung zu bilden.
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Alle Teilnehmenden haben unbedingt pünktlich zu einem Meeting zu erscheinen. Es ist eine absolute Unhöflichkeit, das akademische Viertel für sich in Anspruch zu nehmen. Auch wenn man drei Titel hat, hat man pünktlich zu sein.
Beim Meeting ist der Aufsichtsratsvorsitzende eine der wichtigsten Personen, denn er sorgt für den korrekten Ablauf und die Disziplin. Ein guter Aufsichtsratsvorsitzender lässt Diskussionen zu – und achtet darauf, dass jedes Aufsichtsratsmitglied seine Meinung einbringt. Es gibt auch Aufsichtsräte, die nicht zum Viel-Reden neigen und die er aktiv ansprechen sollte. Denn es muss ja schließlich am Ende ein gemeinsamer Beschluss gefasst werden.
Auch sollten Unterlagen aus vorherigen Meetings zur Verfügung stehen. Ad hoc Unterlagen hervorzuholen, ist ein großer Vorteil des digitalen Sitzungsmanagements. Ein weiterer Punkt für ein erfolgreiches Meeting ist die konsequente, offene Diskussion, aber am Schluss auch eine gute und gedeihliche Zusammenarbeit. Die Diskussion sollte sachlich sein und nie ins Persönliche gehen. Die Beschlussfassung sollte so stattfinden, dass jeder für seine Meinung eintritt.
Zu einem erfolgreichen Meeting gehört auch die Protokollierung. Ein Aufsichtsratsmitglied soll unbedingt das Protokoll ausführlich durchlesen und darauf achten, dass seine Sicht der Dinge berücksichtigt ist. Sollte es wider Erwarten zu einer Gerichtsverhandlung kommen, zählt das besonders. Das Protokoll ist im Idealfall digital stets abrufbar, um bei folgenden Sitzungen einfach darauf Bezug nehmen zu können.