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Digitalisierung

Energiebranche: Herausforderungen bei der digitalen Transformation

Die Energiewirtschaft steht einigen Veränderungen gegenüber, allen voran der Digitalisierung. Uwe Lachermund weist als IT-Leiter der Bremer swb AG hier umfangreiche Erfahrungen auf. Im Interview mit Sherpany gibt er Einblicke.

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Uwe Lachermund
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Die Energiebranche befindet sich mitten in einer Transformationsphase. Insgesamt sieht sich die ​Energiewirtschaft in Deutschland​ einer Reihe von Herausforderungen gegenübergestellt. Neben der Bewältigung der Energiewende gilt es, der Digitalisierung als Megatrend adäquat zu begegnen.

Angefangen mit der konsequenten Modernisierung der IT bis hin zu komplexen Problemlösungsverfahren sind neue Wege gefragt, die eine Umstellung der unternehmensinternen Strukturen und umfangreiche Investments bedeuten. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklungen forciert. Kurzum: Innerhalb kürzester Zeit musste der Energiesektor einen immensen Ausfall an Einnahmen hinnehmen und von der Präsenzkultur auf Remote-Working umstellen.

Gleichzeitig greifen das Process Mining ( Prozessoptimierung ) mit Verfahren wie der Umstellung auf intelligente Messsysteme (Smart Metering) um sich. Bringen diese einige Vorteile mit sich, so will ihr Nutzen –  bei tiefgreifenden Umstellungen – trotzdem wohl überlegt sein.

 

Optimierungsprozesse bei der Bremer swb AG

Uwe Lachermund leitet den Bereich IT und Organisation beim Bremer Energieversorger swb AG. Er treibt Initiativen zur Digitalisierung unmittelbar voran und war maßgeblich an der flächendeckenden Modernisierung der IT-Infrastruktur der swb AG beteiligt. Ebenso war er eine treibende Kraft bei der Umstellung auf Remote-Working im Zuge der Corona-Pandemie.

Im Interview mit Sherpany spricht Uwe Lachermund über die Digitalisierung, die Folgen der Corona-Pandemie, Process Mining und die (digitale) Meeting-Kultur.

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Die Gesundheitskrise hatte hohe Einflüsse auf die Wirtschaft. Wie hat sich diese auf dem Energiesektor und im Speziellen bei der swb AG bemerkbar gemacht?

Uwe Lachermund: Der klassische Lockdown im März letzten Jahres hat zu umfassenden Umstellungen unter anderem im IT-Bereich unserer Firma geführt – in Bremen ist das signifikant. Er variiert natürlich je nach dem Tätigkeitsfeld der Firma. 

Um die generellen Auswirkungen des Lockdowns auf den Energiemarkt zu verstehen, muss man wissen, wie der Markt beschaffen ist: Der Kauf unserer Energiemengen am Markt hat das Ziel, diese mit Marge wieder zu verkaufen. Wenn jetzt die großen Verbraucher die Energiemengen nicht abnehmen, führt das zu Problemen. Dann wird die Energie mehr oder weniger unter dem Einkaufspreis verkauft. 

Das hat die ganze Branche und auch uns getroffen, sodass wir verschiedene Gegenmaßnahmen und ein entsprechendes Programm eingeleitet haben. Wir haben das Geld, das wir ausgeben mussten, in dem Jahr zweimal umgedreht, weil die Einnahmen nicht mehr richtig geflossen sind.

Wir haben in der IT die Portfolioplanung überarbeitet. Wir haben uns ab der Mitte des Jahres auf die Umsetzung von Gesetzmäßigkeiten und auf Projekte reduziert, die einen betrieberhaltenden Charakter hatten.

Gleichzeitig war eine Art selbsterfüllende Prophezeiung zu beobachten: So funktionierte das mobile Arbeiten bei vielen großen Firmen vor dem Lockdown nur schwierig. Das liegt oft nicht nur an technischen Gründen, sondern in der Regel auch daran, dass es in großen Firmen oft umfangreiche Regelungen und Absprachen zum Thema „ Home-Office “ oder dem mobilen Arbeiten gibt. Das zieht dann einiges an Aufwand nach sich.

Im letzten Jahr wurde bei uns genau am 13. März beschlossen, dass bei uns wirklich Lockdown ist. Außer Mitarbeitende, die unbedingt vor Ort sein müssen, um zum Beispiel ein Kraftwerk zu fahren oder die Netze zu steuern, sind alle Zuhause geblieben.

 

Die Digitalisierung beschäftigt die Energiewirtschaft. Welche neuen digitalen Lösungen sind bereits etabliert? Wo sehen Sie Nachholbedarf? 

Uwe Lachermund: Die meisten Menschen verwenden das Wort Digitalisierung als Allheilmittel, um alle Probleme loszuwerden. Das Thema Digitalisierung ist aber vielfältig und man muss die gesamte Struktur betrachten – und zwar im Hinblick auf das Thema Workplace, also Arbeitsplatz der Zukunft. 

Das Thema hatten wir bei der swb vor ein paar Jahren bereits: Da haben wir uns als IT aktiv eingebracht und eine Strategie entwickelt, die sich um das Thema digitale Teilhabe dreht. Wir wollten es im Rahmen der neuen swb-Strategie jedem Mitarbeiter einrichten, dass er an der Digitalisierung teilhaben kann.
 
Wir haben die gesamte IT-Infrastruktur umgebaut. Das Thema Digitalisierung war immer von dem Thema digitale Teilhabe geprägt. Wir haben gesagt: Wir werden einen Client ausrollen, der immer, überall und zu jeder Zeit intuitiv und einfach zu bedienen ist.

Wir haben dabei konsequent auf eine reine Cloud-Technologie gesetzt. Und wir haben darüber hinaus darauf geachtet, dass wir die Kollaborations-Tools der neuen Software in den Mittelpunkt der Nutzung bringen. 

Wir haben das Thema Digitalisierung nicht nur konsequent gedacht, sondern auch tatsächlich umgesetzt. Wir hatten das Glück, dass wir mit dem Rollout im Dezember 2019 komplett fertig waren, so dass alle Mitarbeiter der sbw-Gruppe in die entsprechende Cloud-basierte Workplace-Infrastruktur gesprungen sind. Das hat uns im Jahr 2020 sehr geholfen.

 

Allgemein besteht im Energiesektor im Hinblick auf die Digitalisierung der Netze ein sehr hoher Nachholbedarf. Die Infrastruktur ist allerdings sehr teuer, sehr komplex und kleinteilig am Ende.

Uwe Lachermund
Bereichsleiter IT & Organisation bei swb AG


Und wenn man es ehrlich end-to-end digitalisieren möchte, um wirklich in Echtzeit Dinge zu bewirken, zu steuern und zu regeln, dann ist das eine Herkulesaufgabe.
 
Technisch sind sehr viele Dinge möglich, aber die Umsetzung verläuft sehr schleppend. Konkretes Beispiel ist das Smart-Meter-Thema: Es gibt ein EU-Gesetz, das vorschreibt, dass die Stromzähler intelligent sein sollen, um in Echtzeit Tarife anzupassen und mehr. Das Problem ist aber, dass intelligente Stromzähler an sich keinen positiven Business-Case mitbringen und die gesamte Branche vor große technische und sicherheitsspezifische Herausforderungen stellen.

Und dann muss man sich immer überlegen: Energie ist extrem wichtig – ein Rückgrat der Gesellschaft –, aber sie ist auch nicht so „sexy“. In der Regel wird sie nur durch den Preis attraktiv. Mit der Ausnahme von Überzeugungstätern ist die Masse der Leute nicht gewillt, zum Beispiel die Kosten eines intelligenten Messsystems zu tragen. 

 

Gewiss wird die digitale Transformation den Energiesektor noch lange begleiten. Wie könnte eine Roadmap für die damit einhergehenden Herausforderungen aussehen?

Uwe Lachermund: Der Fehler ist, dass es in den meisten Firmen keine Digitalisierungsstrategie und keine Digitalisierungs-Roadmap gibt. Die Firmen „verzetteln“ sich somit oft mit dem Thema: kein Plan – kein Erfolg.

Der Kardinalfehler beim Thema Digitalisierung ist, dass die meisten sich eigentlich keine Zeit gönnen, um dahingehend etwas aufzubauen. In der Regel ist es so, dass wir die Ressourcen, die wir dafür brauchen, eigentlich gar nicht haben. 

Man sollte sich erst einmal bewusst machen: 

  • In welcher Reihenfolge gehe ich vor, was mache ich am Anfang? Was bringt uns in Summe nach vorne und was drücke ich auch bewusst mal weg ins nächste oder übernächste Jahr? Weil man sich mit der gesamten Digitalisierungsstrategie oft komplett überfordert. 
  • Wenn Sie einfach nur unreflektiert Dinge digitalisieren, dann läuft alles total krumm und schief. Es geht darum, den Prozess dahinter zu durchleuchten. Zum Beispiel muss das Management es sich zutrauen, Abläufe effizienter zu gestalten und Best Practices zu etablieren. Das ist für mich als IT-Leiter der Hauptpunkt, auf den ich aufmerksam mache, bevor wir viel Geld ausgeben, Sachen digitalisieren und in intelligente Algorithmen packen. Man muss die richtigen Sachen digitalisieren, dann hat man gewonnen.

 

Durch das sogenannte Process Mining optimieren Energieunternehmen ihre internen Prozesse. Worauf kommt es Ihrer Meinung nach bei der Datenanalyse besonders an und welche Ziele sind damit verbunden?

Uwe Lachermund: All das gibt es schon etwas länger: Man setzt z. B. einen „Adapter“ auf ein SAP System schaut nach, von der Anforderung bis zur Lieferung. Wie läuft der Prozess durch und wie ist er eigentlich angelegt? Und wie viele Ecken und Kanten nimmt er, weil der Workflow an der einen Stelle unterbrochen wird, irgendwelche Dinge zu Papier gemacht werden und so weiter? 

Das ist auch hilfreich, um sowas wie so ein Argumentationspapier zu entwerfen. Man sagt: Ja, so müsste der Prozess eigentlich sein und auf den haben wir uns mal geeinigt. Er ist auch im System abgebildet und die Wirklichkeit zeigt aber, dass es anders läuft.

Für mich spielt das Thema Governance hier eine wichtige Rolle. Es kommt darauf an, dass die Governance für den Prozess eine entsprechende Durchschlagskraft hat. Die Menge kleiner Änderungen, die sich ein Fachbereich wünscht, müssen auch tatsächlich umgesetzt werden. Das bedeutet das Zerfleddern von Standard-Prozessen.

Am Ende sollte immer nur eine Person für einen Prozess verantwortlich und mit einer Governance ausgestattet sein. Wenn man also einen Zuständigen im Unternehmen sucht, muss er breite Schultern haben, so ein Ding dann auch wirklich durchzusetzen.

Die Ziele, die mit einer Process-Mining-Thematik einhergehen müssen, liegen in der Prozessoptimierung. Das heißt also, dass man eine Benchmark oder Best Practices etabliert.

 

Wie lässt sich Ihre Meinung nach eine Prozessoptimierung im Hinblick auf Meetings realisieren? Welche Pain Points sehen Sie?

Uwe Lachermund: Die Meeting-Kultur in Deutschland ist – glaube ich – etwas schwierig. Sie hat sich aber aufgrund der Digitalisierung – das ist meine subjektive Wahrnehmung – geändert. Es ist ganz selten, dass sich bei einer Teams-Session jemand verspätet. Das war bei den alten Material-Meetings in einem Besprechungsraum anders: Der eine trudelt später ein, der andere geht zum Telefonieren raus etc. 

Nun gibt es mehr Struktur und Disziplin. Das finde ich gut. Außerdem kann man an Tasks gleichzeitig arbeiten, Dokumente teilen und einiges mehr. Das hat das Thema Meeting in ein anderes Licht gebracht. Der Minuspunkt ist:

 

In vielen Meetings sind viel zu viele Leute beteiligt, die eigentlich gar keinen richtigen Beitrag leisten. Viele davon können mit ihrer Zeit besser etwas anderes anfangen.

Uwe Lachermund
Bereichsleiter IT & Organisation bei swb AG


Das hat sich aber so eingeschlichen, dass man ganz oft Meetings überfrachtet mit ganz vielen Menschen. 

Bei vielen Meetings gibt es auch keine Agenda , sondern man hat einfach irgendein Thema. Keiner weiß, was da genau gemacht wird. Es ist elementar wichtig, dass ein Meeting eine feste Struktur und eine Agenda hat. Damit kennt dann jeder den Fahrplan und es lassen sich unter dem Strich gewinnbringende Aktionen erzielen.

Viel zu häufig ist das aber nicht der Fall: Es fehlt die Agenda oder es befinden sich zu viele Leute im Call, die zum eigentlichen Zweck der der Besprechung gar keinen Beitrag leisten können. 

 

Worauf legen Sie bei Vorbereitung von Meetings wert? Wie lässt es sich besser machen? 

Uwe Lachermund: Es gibt Meeting-Regeln , die wir bei uns außen in den Besprechungsräumen ausgehängt haben – diese verbieten zum Beispiel die Handynutzung während des Meetings verbieten. Aber das ist alles keine Raketentechnik

Mir persönlich ist wichtig, dass man sich in die Augen guckt und sagt: “Okay, das vereinbaren wir jetzt.” Ganz wichtig ist, dass man sich bereits im Vorfeld Gedanken um das Thema gemacht hat. So kommt man mit zwei bis vier Alternativen, über die man sprechen kann. Man sollte vermeiden, einfach ein paar Leute einzuladen und eine Art Brainstorming zu veranstalten. Dabei schlägt man nur Zeit tot und vernichtet Energie.

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Uwe Lachermund
Über den Autor
Uwe Lachermund leitet den Bereich IT und Organisation bei der Bremer swb AG. Der Informatik-Betriebswirt fungiert bei Themen der Digitalisierung und der Optimierung von Geschäftsprozessen als Experte. Besonders in Fragen des Veränderungsmanagements und der IT-Strategie verfügt er über umfassendes Know-how.