Vorstandssitzungen

Was ist emotionale Intelligenz und welche Rolle spielt sie in Meetings?

Die Unternehmensberaterin Dr. Madeleine de Hauke erläutert die Bedeutung der emotionalen Intelligenz und gibt Führungskräften Tipps, wie sie sowohl im Alltag als auch in ihren Meetings empathisch agieren können.

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Madeleine de Hauke
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Wir geben immer wieder Anleitungen zu effektiven Team-Meetings , zur Rollenverteilung , zu einer klaren Agenda , zur Protokollierung und weiteren Faktoren. All das ist unglaublich wichtig. 

Da Meetings von einer hohen sozialen Natur sind, zählen aber auch Faktoren wie emotionale Intelligenz verstärkt. Wie sieht es also um diese in Meetings bestellt – sowohl bei der Leitung als auch bei der Teilnahme? 

In diesem aufschlussreichen Interview mit Dr. Madeleine de Hauke tauchen wir in dieses Thema ein. Sie ist CEO von Business4Good, einem Beratungsunternehmen, das Coaching im Bereich der emotionalen Intelligenz und zu Meetings anbietet. 

 

Was ist emotionale Intelligenz und was sind ihre wichtigsten Elemente?

Madeleine de Hauke: Emotionale Intelligenz (EQ) ist eine Art, Menschen zu führen, zu managen und zu interagieren – auch mit sich selbst. Es ist eine Art zu denken und eine Art zu sein. Die wichtigsten Elemente der EQ ist die Fähigkeit, mit sich selbst – und anderen – auf der Grundlage von Vertrauen und Akzeptanz umzugehen.

In unseren Trainings für Führungskräfte haben wir häufig Sitzungen zum Thema emotionale Intelligenz. Dort stelle ich fest, dass die direkte Erfahrungen mit emotionaler Intelligenz wirkungsvoller als Theorien oder Definitionen sind. Deshalb bitte ich die Teilnehmenden, eine einfache Übung durchzuführen, die ich von dem verstorbenen Sir John Whitmore (dem Vater der Unternehmensberatung) gelernt habe:

Erinnern Sie sich an jemanden, mit dem Sie gerne zusammen waren, als Sie jünger waren – kein Elternteil, aber vielleicht ein Großelternteil, ein Lehrer oder ein anderes Vorbild. Denken Sie an die Einstellungen und Verhaltensweisen dieser Person, wenn Sie mit ihr zusammen waren.

Sobald Sie sie im Kopf haben, schreiben Sie Ihre Antworten auf diese beiden Fragen auf:

  1. Was haben sie getan, das Ihnen so gut gefallen hat?

  2. Wie haben Sie sich gefühlt? 

Nachdem ich diese beiden Fragen Hunderten von Führungskräften gestellt habe, habe ich einige gemeinsame Themen festgestellt: 

Die Person…

  • … “hat mir zugehört”.

  • … “hat an mich geglaubt”. 

  • … “hat mich herausgefordert”.  

  • … “vertraute mir”.  

  • … “akzeptierte mich”. 

  • … “hat mich respektiert”.  

  • …  “nahmen sich Zeit für mich und schenkte mir ihre volle Aufmerksamkeit”. 

  • … “behandelte mich wie einen Gleichgestellten”. 

Ich fühlte mich…

  • besonderes. 

  • bewertet.

  • akzeptiert.

  • zuversichtlich. 

  • sicher. 

  • betreut. 

  • unterstützt. 

  • geliebt. 

  • enthusiastisch. 

  • voller Selbstvertrauen.

Diese einfache Übung befähigt Führungskräfte oft dazu, mehr wie "die wichtige Person" in ihrem Leben zu sein. Wenn sie ihre emotionale Intelligenz nutzen wollen, fragen sie sich, was sie in dieser Situation tun würden und gehen entsprechend vor.

Das wichtigste Element beim EQ ist die Fähigkeit, aus einem Paradigma des Vertrauens und der Akzeptanz heraus zu agieren.

Dr. Madeleine de Hauke
Führungscoach und Meeting-Expertin
 
Warum ist emotionale Intelligenz in der Führung wichtig? Wurde sie schon immer als wichtig erachtet?

Madeleine de Hauke: Die Bedeutung der emotionalen Intelligenz am Arbeitsplatz ist schon seit geraumer Zeit bekannt. Der Begriff "emotionale Intelligenz" wurde 1995 von Daniel Goldman populär gemacht. Goldman war besorgt darüber, dass herkömmliche kognitive Tests wie der IQ bei der Vorhersage des Erfolgs im Leben nicht wirksam waren. Er sagte: "Nicht die kognitive Intelligenz (IQ) garantiert den geschäftlichen Erfolg, sondern die emotionale Intelligenz (EQ)". Er beschrieb emotional intelligente Menschen als Menschen mit vier Eigenschaften:

  1. Sie sind in der Lage, ihre eigenen Gefühle zu verstehen (Selbsterkenntnis).

  2. Sie können gut mit ihren Emotionen umgehen (Selbstmanagement).

  3. Sie verfügen über Empathie und erkennen die emotionalen Antriebe anderer Menschen (soziales Bewusstsein).

  4. Sie sind gut im Umgang mit den Emotionen anderer Menschen (soziale Kompetenz).

Heutzutage wird die Bedeutung der emotionalen Intelligenz am Arbeitsplatz anerkannt – und die Menschen werden sich ihrer zunehmend bewusst. Die Welt ist in der Tat komplexer und vernetzter denn je. Führungskräfte sind zunehmend gefordert, internationale, multidisziplinäre und multikulturelle Teams zu leiten – ein Trend, der durch die COVID-19-Pandemie noch beschleunigt wurde. Und selbst lokale Teams arbeiten in hybriden Modellen , oft ein paar Tage pro Woche im Büro und ein paar Tage im Homeoffice . Ich glaube, dass es unmöglich ist, leistungsstarke Remote- oder hybride Teams ohne ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz zu führen.

Ein weiterer Trend, den die jüngste Gesundheitskrise beschleunigt hat, ist das Wohlbefinden am Arbeitsplatz: Es wurde sehr schnell deutlich, dass viele Mitarbeitende ausgebrannt waren, was zu Krankheitstagen und Produktivitätsverlusten führte. Dies führte zu der Anforderung nach mehr empathischer Führung. Emotionale Intelligenz wurde verstärkt zum Erfolgsfaktor für Führungskräfte. Ich denke, dass dies eine Menge Druck auf sie ausübte: Sie waren nicht unbedingt dafür gerüstet, weil sie auch selbst mit der Krise zu kämpfen hatten.  

Burnout müssen wir bei Führungskräften und ihren Teams unbedingt vermeiden. Wir wissen, dass man mit emotionaler Intelligenz mit weniger Mitteln viel mehr erreichen kann. Es ist viel einfacher, Ergebnisse zu erzielen, wenn Menschen sich akzeptiert, willkommen, unterstützt, verstanden und nicht verurteilt fühlen. Auf diese Weise erbringt der Einzelne bessere Leistungen und ist weniger gestresst. Deshalb müssen Führungskräfte heute mehr denn je emotional intelligent sein und ihre empathische Führung entwickeln. 

Hinzu kommt, dass zum ersten Mal in der Geschichte fünf Generationen auf dem Arbeitsmarkt nebeneinander arbeiten. Und die jüngeren Generationen definieren die Führung neu. Dadurch sehen sich Führungskräfte in der Position, aus einem Paradigma des Vertrauens und der Akzeptanz heraus leiten zu müssen und ihren Mitarbeitenden empathisch anstatt allzu kontrollierend zu begegnen.

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Was bedeutet emotionale Intelligenz in Meetings? 

Madeleine de Hauke: Meetings sind von Natur aus soziale Angelegenheiten, weil sie aus Menschen bestehen: Man ist man also ständig mit emotionaler Intelligenz konfrontiert. Oft gibt es mindestens ein oder zwei Personen, die einen "auf die Palme bringen". Ich nenne diese Menschen liebevoll "Meeting-Monster" (sie sind diejenigen, die bewusst oder unbewusst die Produktivität und die Ergebnisse Ihres Meetings gefährden). 

Daher ist es wichtig, Ihre emotionale Intelligenz zu nutzen, um Ihre eigenen Emotionen und instinktiven Reaktionen selbst zu steuern – zugunsten der Dynamik. Hier sind ein paar Dinge, die Sie tun können:

  • eine positive Denkweise pflegen: Versuchen Sie, die Person bedingungslos positiv zu betrachten, trotz Ihrer eigenen inneren Emotionen. Gehen Sie von positiven Absichten aus: Die meisten Menschen tun einfach ihr Bestes.

  • Verpflichten Sie sich, für Ihre eigenen Bedürfnisse zu sorgen. Fragen Sie sich selbst: "Was ist der Grund dafür, dass ich so stark auf diese Person reagiere? Wenn meine emotionale Reaktion tatsächlich auf ein unerfülltes Bedürfnis hinweist – welches wäre das? Wie kann ich mich verpflichten, es zu erfüllen?" Sobald dies gelungen ist, haben die “Monster” nicht mehr die Macht, uns an unsere Grenzen zu bringen. 

Der größte Fehler für Führungskräfte liegt darin, Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Beim EQ geht es auch darum, schwierige Gespräche auf respektvolle Art und Weise führen zu können. 

 

Wie können Führungskräfte in Sitzungen emotionale Intelligenz zeigen? 

Madeleine de Hauke: Wie bereits erwähnt, besteht der erste Schritt darin, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern: Die "Sauerstoffmasken-Theorie". Fragen Sie sich: Was brauchen Sie? Für manche Menschen bedeutet das zum Beispiel eine bessere Vorbereitung , um das Wort ergreifen zu können. Für andere ist vielleicht ein Vorgespräch mit einer Schlüsselperson wichtig, um im Meeting ein bestimmtes Thema besprechen zu können.

Der zweite Schritt besteht darin, es den Teilnehmenden leicht zu machen, Ihnen in der Sitzung alles Nötige zu geben. Dazu müssen Sie die Meeting-Regeln klären und das gewünschte Ergebnis festlegen. Zu diesem Zweck habe ich das C.O.P.E.-Modell (Captain, Outcome, Process, Equity) entwickelt, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Erfahrung von Hunderten von Meeting-Organisatoren und Teilnehmenden beruht: 

  • Kapitän (Captain): Jede Sitzung braucht eine Person, die sie leitet oder beendet.

  • Ergebnis (Outcome): Wenn wir nicht wissen, wohin wir wollen, werden wir uns wahrscheinlich “auf dem Meer” verirren. Es ist sehr wichtig, das gewünschte Ergebnis vor und während des Meetings zu formulieren.

  • Prozess (Process): Sie haben ein Ziel und Sie und alle Beteiligten müssen wissen, wie Sie dorthin kommen. Seien Sie sich über den Prozess im Klaren, der Ihnen helfen wird, es zu erreichen. Teilen Sie ihn zu Beginn klar mit, damit alle mit an Bord sind.

  • Gerechtigkeit (Equity): Gestalten Sie Ihre Sitzungen inklusiv , damit alle Teilnehmenden die gleichen Möglichkeiten haben, einen Beitrag zu leisten.

Die heutigen Führungskräfte müssen von einem Paradigma des Vertrauens und der Akzeptanz ausgehen und und ihren Mitarbeitenden empathisch anstatt kontrollierend begegnen.

Dr. Madeleine de Hauke
Führungscoach und Meeting-Expertin
 
Welchen Einfluss kann emotionale Intelligenz auf Meetings haben? Welchen Nutzen können Führungskräfte von ihr erwarten?

Madeleine de Hauke: Emotionale Intelligenz ermöglicht kooperative, produktive, innovative und angenehmere Meetings, die kürzer sind und zu besseren Entscheidungen führen. Es mag sich so anfühlen, als würde ein EQ-Ansatz zu lange dauern: Man muss sich gut vorbereiten, was bei direkt aufeinanderfolgenden Meetings eine Herausforderung sein kann. Aber sehen Sie es als eine Investition an: Sie investieren Ihre Zeit im Voraus, um später die Früchte zu ernten.

Wenn Sie einen "Meeting-Reflex" haben (damit meine ich, dass Sie für alles und jedes eine Sitzung einberufen), erzeugen Sie am Ende einen Tsunami, der Sie nirgendwo hinbringt und Ihr Leben in Beschlag nehmen kann. Hingegen haben Sie mit einer bewussten Vorbereitung weniger sowie bessere Meetings – und Sie schaffen mehr. Der Erfolg erfordert jedoch diese Vorab-Investition.

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Madeleine de Hauke
Über den Autor
Dr. Madeleine de Hauke, CEO von Business4Good, bringt Führungskräfte und Teams durch eine ganzheitliche Kombination aus beruflicher Entwicklung und persönlichem Wachstum zu ihren höchsten Potenzialen. Sie gründete das Unternehmen im Jahr 2018 und fungiert als Executive Leadership Coach und Trainer.