Wieso die Meeting-Kultur ein Spiegel für den Unternehmenserfolg ist
Nale Lehmann-Willenbrock zeigt in Studien die Korrelation zwischen der vorherrschenden Meeting-Kultur und dem Unternehmenserfolg auf. Wieso werden unproduktive Meetings trotzdem akzeptiert? Und welche Lösungsansätze gibt es?
Meetings sind ein zentraler Teil des Arbeitsalltags: In der jüngeren Vergangenheit hat sich ihre Bedeutung durch das Homeoffice und mehr hybrides Arbeiten sogar noch erhöht. Nie war es für Unternehmenserfolge wichtiger, sich – über Hierarchiestufen und Abteilungen hinweg – produktiv abzusprechen und in Teams effektiv zusammenzuarbeiten. Der gelebten Meeting-Kultur kommt somit eine zentrale Bedeutung zu.
Was ist eine Meeting-Kultur?
Bei der Meeting-Kultur handelt es sich um eine Reihe von Handlungsweisen und Ritualen, die in Organisationen im Kontext von Sitzungen üblich oder vorherrschend sind. Es geht um die Art und Weise, auf welche Personen Sitzungen leiten und an ihnen teilnehmen. Für eine produktive Meeting-Kultur erweist sich als wesentlich, regelmäßig zu klaren Ergebnissen zu gelangen und Fortschritte zu erzielen.
Der blinde Fleck in Unternehmen: Deshalb hat die Meeting-Kultur mehr Aufmerksamkeit verdient
Doch wie steht es eigentlich um die Meeting-Kultur in europäischen Unternehmen? Wir haben Prof. Dr. rer. Nat. Nale Lehmann-Willenbrock, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Hamburg und Vordenkerin auf dem Gebiet der Meeting-Wissenschaft, zum Interview geladen. Seit mehr als zehn Jahren untersucht sie, wie sich dynamische Teamprozesse und Interaktionen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden über die Zeit entwickeln – mit einem klaren Hauptaugenmerk auf der Meeting-Kultur.
Für Nale Lehmann-Willenbrock gilt die Meeting-Kultur als der Spiegel dessen, wie es einem spezifischen Team oder einem Unternehmen als Ganzes geht. In Studien konnte sie die Korrelation zwischen der vorherrschenden Meeting-Kultur und dem Unternehmenserfolg aufzeigen. Trotz dieser Wichtigkeit nennt sie die Meeting-Kultur einen blinden Fleck in Unternehmen, da diese unproduktive Geschäftsmeetings oft als Status quo akzeptieren. Die Herausgeberin des Oxford Handbooks of Meeting Science sagt, dass Unternehmen die versunkenen Kosten und die negativen Auswirkungen auf die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden oft unterschätzten.
Lesen Sie in diesem Interview zudem, wie COVID19 die Meeting-Kultur auf den Kopf gestellt hat und wie Führungskräfte trotz herausfordernder Bedingungen positive Einflüsse ausüben können.
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Für viele Menschen ist das Thema Meetings mit Frustrationen verbunden. Sie widmen dem Thema aber den Fokus Ihrer Forschungsarbeit. Warum?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Ich komme ursprünglich aus der Teamprozess-Forschung, wo wir uns damit beschäftigen, wieso gewisse Teams gut funktionieren und andere nicht. Es fällt auf, dass die Zeit, die in Meetings verbracht wird, immer weiter steigt. Meeting Management wird immer wichtiger und betrifft auch – oder vor allem – Führungsteams und Führungskräfte. Wir verbringen also einfach wahnsinnig viel Arbeitszeit in Meetings und sie machen einen grossen Teil des Erlebens bei der Arbeit aus.
Teamdynamiken und -prozesse – die mich persönlich sehr interessieren – werden eben in Meetings sehr schön sichtbar. Wir beobachten das Vertrauen im Team, wie es um die Eigeninitiative steht, wie sich Teammitglieder gegenseitig beflügeln oder untersuchen spezielle Phänomene wie beispielsweise die sogenannten Jammer-Spiralen. Die werden dann wirklich objektiv sichtbar und es wird auch messbar, was Meetings aus Forscher-Sicht so wichtig macht.
Meeting-Wissenschaftler*innen haben aufgezeigt, dass rund 50 Prozent der für Meetings verbrachten Zeit sind. Was läuft bei der Meeting-Kultur falsch?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Meetings sind wirklich ein unliebsames Thema. Viele sind ineffektiv und die Leute gehen trotzdem hin. Ich höre immer wieder, wie furchtbar alle ihre Meetings finden. Ich kann Ihnen zwei Beispiele nennen:
- In einem Unternehmen ist es mal wieder Zeit für die Abteilungsrunde. Dies, obwohl es nichts essentiell Wichtiges zu besprechen und entscheiden gibt oder gar nicht die ganze Abteilung da sitzen müsste, sondern vielleicht nur zwei oder drei Personen, die eben zu den Agendapunkten auch was beitragen können oder die Entscheidungsbefugnis haben. Die restlichen Personen sind gelangweilt und frustriert, weil sie gerade ihre Zeit vergeuden.
- Als Teil der akademischen Selbstverwaltung müssen die meisten Professor*innen regelmäßig für zwei Stunden oder länger in Gremien sitzen. Die meisten gehen schon ins Meeting mit der Erwartung, dass Zeit verschwendet wird. Sie sind bereits genervt, wenn es anfängt. Das ist natürlich auch ein Teufelskreis, denn die Erwartung und die Einstellung sind zentral für den Verlauf und Erfolg eines Meetings. Zudem sind diese langwierigen Meetings angesichts der darin investierten Gehälter aus Effektivitätsaspekten besonders kritisch.
Meetings sind also extrem wichtig und gleichzeitig oft unproduktiv. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Die unproduktive Meeting-Kultur ist in vielen Arbeitskontexten zum Status quo verkommen und wird einfach hingenommen.
Wir nennen Meetings deshalb auch den blinden Fleck in Organisationen. Das Meeting Management erhält nicht genügend Aufmerksamkeit.
Es ist so etwas wie ein Ritual entstanden: Die Leute nehmen die Einladung zum Meeting an – auch, weil das ja eine gewisse Wertschätzung bedeutet – sitzen dann da, akzeptieren die nicht ganz so produktive Zeit und beschweren sich hinterher, wie unproduktiv das Ganze war.
Häufig werden unproduktive Meetings im Anschluss zu zweit oder dritt nachdiskutiert, auch um Frust abzubauen. Dieses Meeting nach dem Meeting schluckt allerdings noch mal zusätzliche Zeit. Jede Person regt sich über die vielen wenig produktiven Meetings auf, aber offensichtlich ist der Leidensdruck nicht groß genug, um wirklich etwas zu ändern. Man lässt es über sich ergehen, wie die nicht gut funktionierende Kaffeemaschine oder andere Dinge, mit denen wir einfach irgendwie leben. Nur werden bei der Meeting-Kultur die negativen Zusammenhänge mit der Teamproduktivität und dem Unternehmenserfolg nicht wahrgenommen oder unterschätzt.
Sie haben in einer Studie aufgezeigt, dass die Meeting-Kultur direkt mit dem Unternehmenserfolg verbunden ist. Können Sie uns diesen Befund genauer erklären?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Die von Ihnen angesprochene Studie ist ziemlich repräsentativ, weil wir da sehr viele Unternehmen aus ganz vielen unterschiedlichen Branchen vertreten hatten. Das Meeting ist eine Art Lupe auf die Organisation oder der Spiegel dessen, wie es der Organisation aktuell geht. Unter anderem werden folgende Punkte sichtbar, selbst in kürzeren Zeitabschnitten:
- Wie es der Organisation als Ganzes geht
- Wie die Leute miteinander umgehen
- Wie produktiv oder auch unproduktiv zusammengearbeitet wird
- Die Arbeitseinstellung der Mitarbeitenden (z. B. Engagement, Einsatz)
Deshalb finden wir solche Zusammenhänge zwischen den Verhaltensmustern im Meeting und dem Gesamterfolg der Organisation. Wenn ich in ein Meeting reingehe, das vielleicht eine Stunde dauert und 60 Prozent der Zeit davon gejammert wird, dann ist das ein ganz guter Indikator dafür, wie es der Organisation als Ganzes geht und wie dieses Team zusammenarbeitet. Und zwar nicht nur in diesem einen Meeting, sondern ganz allgemein. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen: Wie können wir Teams unterstützen, negative Dynamiken im Meeting zu erkennen und eben auch ihre Zeit produktiver zu nutzen?
Welche negativen Auswirkungen hat eine unproduktive Meeting-Kultur für ein Unternehmen?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Zum einen haben wir Zusammenhänge gefunden mit der Teamleistung und dem allgemeinen Unternehmenserfolg. Teams, die in ihren Meetings hauptsächlich über Probleme, aber nicht über Lösungen sprechen, und sich in diesen Abwärtsspiralen oder Jammererzirkeln gefangen sehen, sind weniger produktiv und auch nicht so zufrieden mit der Zusammenarbeit.
Wir finden auch Zusammenhänge zwischen der Meeting-Kultur und dem individuellen Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Das ist natürlich für Organisationspsycholog*innen sehr interessant. Wir wissen mittlerweile aus unterschiedlichen Studien und Kulturkontexten, dass Mitarbeitende, die häufig in unproduktiven Meetings sitzen, auch eine insgesamt geringere Arbeitszufriedenheit haben, ein geringeres Engagement zeigen und Symptome von emotionaler Gereiztheit zeigen.
Dies ist eine Vorstufe von Burn-out. Schlechte Meetings scheinen also durchaus mit Stresserleben verbunden zu sein. Auch hier ist das Meeting wieder ein guter Spiegel dessen, was sonst noch im Unternehmen passiert und wie die Leute allgemein miteinander umgehen.
Und natürlich werden in unproduktiven Meetings auch hohe Kosten versenkt. Das trifft auf alle Teilnehmenden zu, insbesondere aber auch auf Führungskräfte. Die Tatsache, dass jede Führungskraft einen immer größeren Anteil der Arbeitszeit in Meetings verbringt, hat ihren Preis – in der Regel werden Führungskräfte ja besser bezahlt. Eine Studie aus dem Jahr 2018, die auch im
Harvard Business Review
erschienen ist, zeigte auf, dass die untersuchten CEOs 46 Stunden pro Woche in Meetings verbringen.
Um diese Kosten zu berechnen, wären aber nicht so sehr die Psycholog*innen zuständig, sondern eher die Betriebswissenschaftler*innen. Ich habe mit meinem Kollegen Steven Rogelberg (Universität UNC Charlotte, Autor des Bestsellers “The Surprising Science of Meetings”) schon mehrmals Gedanken dazu angestellt, dass man den Return on Investment von Meetings berechnen und erhöhen sollte. Man müsste dazu analysieren, wer wie oft und wie lange in Meetings sitzt und was die Arbeitszeit dieser Leute kostet. Das würde aber noch nicht alle Kosten abdecken: Meetings werden ja auch vorbereitet und idealerweise auch nachbereitet. Und dieses Meeting nach dem Meeting, was ich zuvor eben angesprochen hatte, ist auch noch zusätzliche Zeit, die hinterher noch verbracht wird. An die tatsächlichen Kosten ranzukommen, wäre somit gar nicht so einfach.
Angesichts der oft unproduktiven Meeting-Kultur in europäischen Unternehmen: Wieso sind Ihre Meeting-Forschung und Best Practices noch nicht in der Praxis angekommen?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Die Meeting-Wissenschaft bekommt zu wenig Aufmerksamkeit. Die negativen Auswirkungen einer unproduktiven Meeting-Kultur und die Kosten, die da versenkt werden, sind zu wenig präsent. Es ist auch nicht unbedingt ein Thema, für das jetzt Beratungsprojekte eingekauft werden. Und es könnte natürlich auch an der Komplexität des Themas liegen. Es gibt so viele Hebel, die in Bewegung gesetzt werden könnten, wodurch die Lösung vielleicht als zu schwierig angesehen wird.
Das größte Problem, warum dieses Thema nicht angegangen wird, obwohl da so viel Optimierungspotenzial schlummert, hat aber damit zu tun, dass es immer von anderen Themen überstimmt wird. Jede Person hat Ziele in der Organisation, die am besten sofort umgesetzt werden müssen, es gibt gewisse Leistungserwartungen zu erfüllen und andere Probleme zu lösen. Sich dann zusätzlich noch um Meetings zu kümmern, wirkt wie ein Luxusproblem. Die Einstellung ist: “Erst müssen wir alles andere lösen und dann können wir uns vielleicht irgendwann mal um Meetings kümmern.” Dadurch bleibt es dann oft beim Status quo, obwohl das eigentlich nicht ratsam ist, wenn wir uns überlegen, wie viel kollektive Zeit da rein wandert.
Es besteht also noch ein riesiges Optimierungspotenzial.
Was muss gemacht werden, um dieses Potenzial auszuschöpfen?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Aufklärungsarbeit. Vielleicht auch Pilotprojekte, die gut in den Medien vertreten sind. Manchmal reicht es ja schon, wenn ein Unternehmen, das vielleicht ein bisschen bekannter ist, sagt: “Wir gehen das Thema Meetings jetzt an und erzählen darüber.” Das passiert bei Vorreitern der Digitalisierung auch.
Da ist natürlich auch die Frage, wo angefangen werden soll. Wir haben in einem 2019 erschienenen Überblicksartikel eine Tabelle der wichtigsten Faktoren zusammengestellt, die zum Meeting-Erfolg beitragen. Es gibt da sehr viel, das vor, während und nach Meetings beachtet werden kann. Es gibt wahnsinnig viele Stellschrauben. Es wäre deshalb eine Überforderung, Führungskräften zu sagen: “So, jetzt bitte dreht mal an allen gleichzeitig und dann wird alles gut.”
Ein möglicher Ansatz fokussiert auf die Sitzungsvorbereitung, da diese Faktoren etwas einfacher beeinflusst werden können. Die Vorbereitung stellt die Weichen dafür, dass ein Meeting mit den besten Voraussetzungen beginnt. Unter anderem folgende Punkte sollten Sie vor dem Meeting beachten, um gute Startbedingungen sicherzustellen:
- Erstellen Sie eine detaillierte Meeting-Agenda .
- Überlegen Sie sich genau, wer wirklich eingeladen wird.
- Stellen Sie sicher, dass sich alle Teilnehmenden optimal vorbereiten können.
Die Vorbereitung ist etwas einfacher anzugehen als die wirkliche Durchführung. Denn da können sich die Dinge auch verselbständigen. Auch wenn ich als Führungskraft mit den besten Intentionen ins Meeting reingehe, kann mein Team trotzdem in einer Jammerspirale landen, weil natürlich auch alle mitreden dürfen. Da können Dynamiken entstehen, die Führungskräfte aushalten müssen. Natürlich kann auch da positiv interveniert werden, es ist aber im Vergleich zu den Pre-Meeting-Faktoren nicht ganz so einfach. Zusammen mit Joseph Allen (Mitherausgeber des Oxford Handbook of Meeting Science) haben wir auch diskutiert, dass man Meeting Management systematisch in der Personalauswahl berücksichtigen müsste.
Gibt es spezifische Kompetenzen, die Führungskräfte mitbringen müssen, um Meetings produktiv zu managen?
Und zwar aus dem einfachen Grund, dass dafür so viel Zeit investiert wird und weil Meeting Management eine immer wichtigere Aufgabe wird. Wir wissen zum Beispiel, dass nach einer lösungsorientierten Äußerung einer Führungskraft die Wahrscheinlichkeit, dass dann noch mal ein Jammern kommt, sehr gering ist. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass Sie als Führungskraft versuchen können, mit positivem Verhalten gegenzusteuern, weil sie dadurch dieses dysfunktionale Verhalten hemmen können.
Welchen Einfluss hatte die Situation rund um COVID19 auf die Meeting-Kultur?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: COVID19 hat die Arbeitsorganisation – ein großer Teil dessen, was Führungskräfte tun – auf den Kopf gestellt. Krisensituationen erfordern natürlich mehr Abstimmung und Koordination. Wenn plötzlich alle zu Hause sitzen anstatt im Büro, können offene Punkte nicht einfach so zwischen Tür und Angel geklärt werden. Als Folge ist die Anzahl von Meetings weiter angestiegen. Und auch für Führungskräfte hat sich die Situation verändert:
Die Situationen, in denen positiv Führungseinfluss genommen werden kann, sind weiter geschrumpft. Meetings sind so ein noch wichtigeres Forum geworden.
Und in Zeiten von Homeoffice sind bei Führungskräften nochmal andere Kompetenzen gefragt, was ich auch bei mir selber merke.
2020 war der definitive Durchbruch von Videokonferenzen . Was ist bei virtuellen Meetings besonders wichtig?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: In virtuellen Meetings ist es eine noch größere Herausforderung, überhaupt mitzubekommen, wie es dem Team gerade geht. Inspiration mitzugeben, die Leute zu empowern, zur aktiven Teilnahme anzuregen oder Energie zu stiften ist virtuell viel anstrengender, als wenn man im gleichen Raum zusammensitzt. Nonverbale Mechanismen können durchaus positiv sein: Eine Person grinst und andere lassen sich anstecken und irgendwie gehen wir mit einer guten Laune aus dem Meeting. Das ist natürlich online viel schwieriger, selbst wenn alle eine Kamera an haben. Führungskräfte sind also noch stärker herausgefordert als in einem herkömmlichen, traditionellen Meeting-Kontext.
Wir wissen aus der Meeting-Forschung, dass gewisse Standards auch in virtuellen Meetings gut funktionieren. Dazu gehört die Einführungsrunde mit Smalltalk. Dieses Geplänkel, das sich eigentlich natürlich entwickelt am Beginn von Face-to-Face-Meetings, scheint virtuell wegzubrechen und dadurch fehlen wichtige Klimafaktoren für produktive Meetings. Da brauchen wir Nachhilfe, vielleicht sollte es auch eine Führungsaufgabe sein, den Raum dafür zu schaffen. Sie können diese Einführungsrunde ja auch gezielt anmoderieren vor dem Einstieg in die eigentliche Agenda. Obwohl das einige vielleicht erst mal doof finden, weil es länger dauert, ist das sinnvoll. Wir wissen aus der Forschung, dass das, was in den ersten paar Minuten passiert, durchaus auch in das restliche Meeting überschwappt. Wenn die ersten Minuten gut laufen, dann ist der Rest des Meetings angenehm und wir erreichen mehr. Laufen die ersten Minuten nicht gut, zum Beispiel weil jemand zu spät ist, und sich dann alle anderen ärgern, kann eine negative Atmosphäre entstehen, die für den Rest des Meetings bestehen bleibt. In den Online-Meetings scheint dieser Anfang etwas schwieriger zu sein.
Unternehmen implementieren immer öfter dedizierte Meeting–Management–Software und übernehmen dann auch in den Prozess eingebaute Best Practices. Welche Rolle schreiben Sie der Technologie beim Lösen der Meeting-Herausforderungen zu?
Prof. Nale Lehmann-Willenbrock: Technologie kann die Nutzung von Meeting-Design-Faktoren natürlich standardisieren und so langsam zur Normalität werden lassen. Ein Problem, warum Meetings so stiefmütterlich behandelt werden, ist ja die Einstellung “Wir machen das einfach so, auch wenn unsere Meetings unproduktiv sind”. Technologie kann uns bei diesem Mentalitätswandel unterstützen.
In einem nächsten Schritt müssten wir dann untersuchen, wie sich diese neuen Prozesse und Meeting-Tools auf das tatsächliche Meeting auswirken. Dies könnte durch Verhaltensbeobachtung oder kurze Fragebögen erreicht werden. Ein besserer Dialog zwischen Forschung und Praxis wäre hier sicher angebracht.