Teamentwicklung: So lässt sich ein echter Zusammenhalt aufbauen
Teamentwicklung ist ein Basisfaktor, damit die Unternehmenskultur stimmt und Mitarbeitende gute Leistungen erzielen können. Der Leadership- und Team-Coach Matthias Herzberg erklärt deren Bedeutung und die Methoden dafür.
Teamentwicklung: So lässt sich ein echter Zusammenhalt aufbauen
Bei der Teamentwicklung handelt es sich um eine zentrale Aufgabe in der Führung. Führungskräfte sind maßgeblich für die Ergebnisse ihrer Teams verantwortlich. Es obliegt ihnen, in den Teamzusammenhalt zu investieren – und Mitarbeitenden erfolgreiche Arbeit zu ermöglichen.
Matthias Herzberg hat als langjähriger Leadership- und Team-Coach umfangreiche Erfahrungen auf diesem Gebiet: In Workshops gibt der Diplom-Pädagoge und Geschäftsführer der best patterns GmbH wertvolle Impulse und verhilft zu wirksamen Strategien – damit die Zusammenarbeit gelingt.
Im Interview mit Matthias Herzberg befassen wir uns näher mit dem Begriff der Teamentwicklung sowie den zugehörigen Methoden, Schlüsselkomponenten und Phasen. Dabei zeigt der Führungskräfte-Coach auf, wie Zusammenhalt und Zielorientierung – anhand von Faktoren wie Vertrauen und psychologischer Sicherheit – funktionieren.
Was genau ist Teamentwicklung und welche Bedeutung hat diese?
Matthias Herzberg: Teamentwicklung betrifft jedes Team. Es ist nur die Frage, wie bewusst das Führungskräfte und Teams wahrnehmen. In meiner Welt ist Teamentwicklung mit Workshops verbunden. Diese sind dazu gut, gemeinsam zu reflektieren, wie es mit der Zusammenarbeit läuft. Also den Entwicklungsprozess des Teams, den es ohnehin gibt, proaktiv zu gestalten – anstatt ihn einfach dem Zufall zu überlassen. Teamworkshop, Teambuilding oder Teamcoaching sind artverwandte Begriffe.
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Was für Methoden stehen für die Teamentwicklung zur Verfügung? Welche Wege können erfolgversprechend sein?
Matthias Herzberg: Teamentwicklung heißt, einem Team Raum für Reflexion anzubieten. Grundsätzlich könnten Teams im Alltag zwischendurch gemeinsam vieles reflektieren, mit Hilfe einfacher Fragen und Gruppenübungen. Agile Methoden sehen das auch oft vor, in Form von Retrospektiven.
Gerade für Teams, die nicht agil arbeiten oder solche Methoden nicht nutzen, besteht das Risiko oft darin: Innehalten und Reflektieren passieren nicht. Workload, Projekte und Deadlines führen dazu, dass Team-Meetings verschoben oder abgesagt werden. Ich vergleiche einen Teamworkshop daher immer mit einem Boxenstopp für das Team: Mal rechts heranfahren und sich das Auto anschauen. Fehlt etwas? Gibt es vielleicht Schäden, die noch keinem aufgefallen sind? Was kann verbessert werden? Man kann nicht immer nur ohne Pause Rennen fahren.
Konkret methodisch heißt das: Moderationskarten herausholen, sich hinsetzen und mal Dinge zusammentragen. Was läuft bei uns richtig gut? Wo drückt der Schuh? Sich mit einem bewährten methodischen Raster gegenseitig Feedback zu geben, aus Problemen Ziele sowie Maßnahmen abzuleiten und diese verbindlich auszuplanen, ist der Kern dieser Arbeit.
Hierbei ist eine externe Moderation hilfreich – aus zwei Gründen:
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Der Prozess beschleunigt sich erheblich.
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„Kommunikativer Zündstoff“ wird durch konstruktive Interventionen entschärft.
Das Team macht so eine wohltuende Erfahrung lösungsorientierten Austauschs, der auch die Gruppendynamik stärkt. Konflikte – auch Altlasten – können geklärt und gegenseitige Erwartungen an die Zusammenarbeit besprochen werden – auch in Richtung Führungskraft. Das hat nach einem solchen Workshop ein für den Alltag gestärktes Team zur Folge.
Forming, Storming, Norming, Performing: Diese vier Phasen der Teamentwicklung sind berühmt. Gelten sie Ihrer Meinung nach und wie können Teams den Weg zum Performing meistern?
Matthias Herzberg: Sie gehen auf den Psychologen Bruce Tuckman zurück, sind schon älteren Datums, gelten nach wie vor und werden tagesaktuell von Teammitgliedern „gefühlt“, „erlebt“ – ganz konkret. In meinen Workshops sind sie jedoch selten explizit Thema.
Es ist ganz einfach:
In einem Team, in dem sich Aufgaben und Zuständigkeiten ständig ändern oder sich das Personalkarussell dauernd dreht, kann keine Ruhe einkehren.
Weder auf der Inhalts- noch auf der Beziehungsebene. Das ist „Dauer-Storming“.
Ein Beispiel: Der Deutschland-Achter (“Flaggschiff” des Deutschen Ruderverbandes) hat das vor einigen Jahren kurz vor Olympia erlebt, als die Mannschaft kurzfristig umgebaut wurde. Das konnte nicht zum Sieg führen, da in so kurzer Zeit und bei so viel „Storming“ unmöglich Gleichklang erzeugt werden konnte. Da schafft es ein Team dann auch nicht zum „Performing“.
Was dafür nötig ist, kann einfach aus den Teamphasen abgeleitet werden: „Norming“ – sich in Ruhe austauschen und sich Gedanken machen: Wie wollen wir zusammenarbeiten? Welche Team-Ziele nehmen wir uns (neben operativen Zielen) vor? Wo sind Spannungen und wie gehen wir mit ihnen um? Welche Projekte bringen uns künftig nach vorn? Dann kommt “Performing” fast von allein.
Vertrauen und psychologische Sicherheit gelten als Schlüsselfaktoren für die Teamentwicklung. Was braucht es für eine dahingehende Unternehmenskultur?
Matthias Herzberg: Zunächst die Vergegenwärtigung, was psychologische Sicherheit überhaupt sein soll: Wenn sie da ist, hat man keine Angst sich zu äußern oder sich als die Person zu zeigen, die man ist – auch unter Diversity-Gesichtspunkten . Es gibt dann keine Angst vor Ausgrenzung, verletzenden Kommentaren oder negativen Konsequenzen, wenn Fehler passiert sind.
Aber was heißt das jetzt konkret? Wenn ich mit den Augen rolle, die Brauen hochziehe, verächtlich schnaufe oder aufstöhne, wenn jemand einen Verbesserungsvorschlag oder ein Feedback für mich hat, entsteht das Gegenteil von psychologischer Sicherheit. Es ist also eine gute Idee, im Unternehmen über psychologische Sicherheit zu sprechen – sie zum Thema zu machen, aufzuklären und Lernen zu ermöglichen.
Wir wissen jedoch auch: Das allein reicht nicht. So bin ich nicht nur als Führungskraft gefragt, wenn ich Dinge erlebe, die bezüglich psychologischer Sicherheit kontraproduktiv sind. Auch als Kollegin oder Kollege kann ich konstruktives Feedback und liebevolle Hinweise geben.
Die Treppe wird von oben gefegt, sagt man so schön. So ist es auch mit diesem Thema: Wenn nicht von oberster Stelle vorgelebt wird, dass es ernst ist mit so einem Aspekt, bleibt psychologische Sicherheit eine Worthülse.
Die Führung aus der Ferne ist nicht mehr wegzudenken. Wie lassen sich Teams aufbauen, deren Mitglieder sich selten bis hin zu gar nicht persönlich sehen?
Matthias Herzberg:
Virtuelle Teams
funktionieren und können hervorragende Ergebnisse hervorbringen – unter der Bedingung, dass es funktionierende Verbindungen zwischen den Teammitgliedern gibt. Um an psychologische Sicherheit anzuknüpfen:
Vertrauen braucht Vertrautheit und Vertrautheit entsteht, je mehr Zeit wir miteinander verbracht haben.
Dies lässt sich mit Freundschaften vergleichen: Die sind heute – trotz „long distance“ – sehr beständig und belastbar, auch wenn man sich nur selten sieht. Das liegt meistens daran, dass es eine frühere Lebensphase gab – vielleicht in der Kindheit und Jugend –, während der diese Zeit investiert wurde.
So hat es gerade zu Beginn Sinn, in Beziehungen zu investieren. So kann man zum Beispiel für ein gruppen-dynamisch intensives Kick-off tatsächlich alle zusammenholen – in Präsenz. Und ja, das kostet Geld. Aber es wird mehr kosten, wenn man es nicht macht. Diese Kosten sieht nur keiner.
Sitzungen und Workshops betrachten wir in der Regel als Erfolge, wenn wir mit einem positiven Gefühl herausgehen. Doch letztendlich geht es um Resultate. Was lässt sich unternehmen, um diese sicherzustellen?
Matthias Herzberg: Ich kenne viele Teams, die viel Frust und Enttäuschung mit ewig langen “Schlepplisten” und einem enormen Backlog haben. Zwei Gedanken dazu: Wenn nicht geklärt ist, wer welches Thema treibt und dafür verbindlich eine Verantwortung übernimmt, wird das nichts. Außerdem sollte es Planung – in Form von Zeitzielen und Deadlines – geben.
Sicher kennen viele von uns den Spruch: „Aus den Augen aus dem Sinn.“ Was es dann braucht, ist die regelmäßige Konfrontation mit dieser Liste, dem W-Schema: Wer macht was bis wann mit wem? Und: Wer kontrolliert das? Das ist eine einfache Tabelle, ein lebendes Dokument, das wieder und wieder vorgeholt, reflektiert und weiterentwickelt wird.
Der vorhin beschriebene Team-Workshop ist eine gute Möglichkeit für die Initialzündung eines solchen Dokuments. Im Seminarraum haben wir dazu eine Pinnwand erstellt, die im Anschluss in ein digitales Format überführt wird.
Wenn man wieder und wieder über Punkte spricht, bei denen es keine Entwicklung gibt, sollte man sich die Frage stellen, warum das eigene Team dieses Thema überhaupt noch bespricht. Eine pragmatische Lösung dazu: Wir starten einen letzten Versuch, ansonsten streichen wir das.
Wie lässt sich ein produktives Team-Meeting gestalten? Was sind Schlüsselfaktoren dafür?
Matthias Herzberg:
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Eine Agenda, auf die jede:r Themen setzen kann. Nicht wahllos, sondern gleich mit der Möglichkeit des Labels, was mit diesem Thema im Team-Meeting geschehen soll: Geht es um Informationen, Diskussionen, Entscheidungen oder kreative Problemlösungen ?
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Moderation des Meetings. Rollierendes System, alle sind im Wechsel Moderator:in, alphabetische Reihenfolge der Vornamen – wer gefehlt hat, ist beim nächsten Mal an der Reihe.
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Ergebnisprotokolle in Form des eben vorgestellten W-Schemas, die in jedem Meeting angeschaut werden.
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Achtsamkeit im Umgang miteinander und Zeit für einen kurzen Check-in und Check-out . Und – als Teil davon – die gemeinsame Entwicklung von Meeting-Vereinbarungen als gemeinsamer Rahmen für alle. Das macht vieles leichter.
Und bitte nicht in der Form, dass die Führungskraft eine Folie herunter zitiert, die sie im Vorfeld vorbereitet hat – was dann übrigens einer Vorgabe gleichkommt. Das Commitment für solche Vereinbarungen ist viel stärker, wenn ein Team sie gemeinsam aufgestellt hat. Die 15 Minuten und ein Flipchart – mehr braucht es nicht dazu – sind mehr als gut investiert.